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2 - Das Konzept 

2.3 Die Elemente des unterirdischen Netzes

Nachdem die Studie von Precht und Wilde belegt, dass das Konzept, die in Stuttgart schon vorhandenen S21-Tunnelverbindungen als Rückgrat eines weiter ausbaufähigen Citylogistik-Systems zu nutzen, plausibel ist, geht es im Folgenden konkreter um die einzelnen Elemente des Konzepts. Sowohl die Tunnelenden (Portale) in Feuerbach, Untertürkheim, Obertürkheim und am Flughafen als auch die Zwischenangriffe in Wangen, am Pragtunnel und die langgezogene Tiefbahnhofsgrube könnten als Zugangspunkte für das weitgehend automatisierte Gütertransportsystem genutzt werden. 

Die Baugrube am Hauptbahnhof umfasst sowohl die Bahnsteighalle [5] (ca. 400 m lang, 
80 m breit), als auch Nord- [4] und Südkopf [6] (je ca. 300 m lang) für die Weichenstraßen und Verzweigungen in jeweils 4 Tunnelröhren. Diese Fläche von über 50.000 m² bietet ausreichend Platz für den Umschlag zwischen den Tunnelzuläufen, zur Feinverteilung in die und aus der Innenstadt und viele weitere Nutzungen.

Die Lage der Baustelle des Bahnhofs und der Zuläufe verdeutlicht die nebenstehende Karte.

Für die Untersuchung der Tunnelnutzung im Rahmen eines automatisierten Logistikkonzepts sind in der obigen Kartenkopie sowohl die Endpunkte der Tunnel als auch die für den Bau genutzten Zwischenangriffe eingetragen und kommentiert:

  1. Tunnelende Feuerbach (Nord): Weiterführung zum Güterverkehrszentrum Kornwestheim (4 km), zu Fa. Porsche (3 km) und Bosch (1 km) möglich
  2. Zwischenangriff Prag: horizontale Zufahrt aus Einschnitt über Bahngelände, Anbindung an B27 (Löwentorbrücke)
  3. Zwischenangriff Nord: Vertikalschacht im Gebiet der zentralen Baulogistikfläche
  4. Nordkopf des Tiefbahnhofes: Anbindung an innerstädtisches Straßennetz (B27)
  5. Bahnsteighalle: Ladebereich, Zufahrt für innerstädtische Feinverteilung
  6. Südkopf des Tiefbahnhofes: Anbindung an innerstädtisches Straßennetz (B14)
  7. Zwischenangriff Wangen: Vertikalschacht zum Großmarkt und Anbindung an Straßennetz (B10)
  8. Verteilzentrum der Deutschen Post/DHL: Anbindung an Fernbahntunnel nach Bad Cannstatt
  9. Tunnelende Untertürkheim: ehemaliger Güterbahnhof, Bahnverladung, Weiterführung zum Daimler-Motorenwerk (< 1 km)
  10. Tunnelende Obertürkheim: Weiterführung zum Hafen Stuttgart (< 1 km)
  11. Tunnelende Filder: Anbindung an das GVZ über der A8, Weiterführung zur Messe (2 km) und Flughafen (3 km) und potentiell zu naheliegenden Gewerbegebieten
Karte Tunnelröhren

 

 
 
 
Systematisiert ist also dreierlei zu bauen:

a)  die Güterverteilzentren (GVZ) an der Peripherie der Stadt, dort, wo die S21-Tunnel ins Freie münden, ggf. mit kurzen ober- oder unterirdischen Verbindungen
b)  sodann der City-Hub (Netzknoten) am zentralen Standort der Stadt, am Bahnhof in der jetzigen S21-Baugrube.
c)  darüber hinaus bieten sich in weiteren Entwicklungsschritten Zwischen-Hubs an, von denen aus in Direktverbindungen, also mit Überspringen der letzten Meile, Großadres- saten an das System angebunden werden können.

Güterverteilzentren

Prototypisch für den Güterumschlag von der Straße auf das System City-Logistik soll ein zu projektierendes GVZ an der Stadtperipherie dargestellt werden. Konfektioniert in Packstücken auf Paletten werden die Güter per Aufzug in das unterirdische Röhrensystem der City-Logistik umgeschlagen:

Wo es möglich ist, den Lkw-Gütertransport schon auf der Autobahn „abzufangen“ und mit dem City-Logistiksystem zu verbinden, sind spezielle Umschlagstationen möglich. Um ohne Flächenverbrauch Güter von der Autobahn auf City-Logistik umzuschlagen, wird als GVZ ein Bundesautobahn-Hub (BAB-Hub) vorgeschlagen: die Überbauung eines Stücks Autobahn mit einem aufgeständerten Güterverteilzentrum.

Güterverteilzentrum am Stadtrand, Grafik: Theo Sauerborn

Güterverteilzentrum am Stadtrand, Grafik: Theo Sauerborn

 

Anwendung findet das Konzept des BAB-Hubs im Stuttgarter Fall in einem Güterverteilzentrum im Süden der Stadt. In unmittelbarer Nähe zum Südportal des Fildertunnels bietet sich ein geeigneter Standort an der Autobahn A8 an. Das Güterverteilzentrum kann dort – fast ohne Verbrauch wertvoller Ackerflächen – über der Autobahn aufgeständert werden. Über kurze Rampen können die Lkw das GVZ-Deck erreichen und ihre für Stuttgart georderten Güter auf computergesteuerte elektrisch oder elektromagnetisch angetriebene Palettentransporter umladen lassen, die dann auf kürzestem Weg – ohne Staus – durch den Fildertunnel in den Talkessel hinunter in den City-Hub, den für neue Nutzungen befreiten Trog des Tiefbahnhofs gelangen. Dies funktioniert natürlich auch in der Gegenrichtung, aus der Innenstadt hinaus zu den Güterverteilzentren an der Peripherie der Stadt.

Güterverteilzentrum, Gra k: Theo Sauerborn
Links: Über der Autobahn aufgeständertes Güterverteilzentrum, Grafik: Theo Sauerborn, Rechts: Detail: Lastenaufzug eines GVZ

Güterumschlag Schiene/City-Logistik

Obwohl klimapolitisch kontraproduktiv, ist in den letzten Jahren der Anteil des Güterverkehrs per Lkw in Deutschland auf 70 % gestiegen, der des Transports auf der Schiene auf inzwischen 17 % (2020) gesunken. Die Bundesregierung will den Marktanteil des Güterverkehrs bis 2030 auf 30 % steigern, Grüne und Linke haben weitergehende Ziele. Die DB beginnt wieder stärker in den Schienengüterverkehr zu investieren, u.a. ist ein Ausbau des Güterumschlags in Kornwestheim geplant. Eine gute Anbindung des umweltfreundlichen Schienentransports an das unterirdische City-Logistiksystem bietet sich im Güterbahnhof Untertürkheim an, direkt am dortigen S21-Tunnelportal.

City-Hub

Der zentrale City-Hub lässt sich am Hauptbahnhof unter dem Kurt Georg-Kiesinger-Platz in der S21-Baugrube unterbringen. Hier kann die City-Logistik-Röhre auf der untersten Ebene des Bahnhofstrogs bis unter den (wiederherzustellenden) Nordflügel geführt werden. Dort, auf der unteren Ebene, können die Paletten bis zu deren Abruf deponiert werden und gelangen sodann über Aufzüge wahlweise auf die zwei Verladezonen auf der mittleren Ebene (am Rand des  ZOB) bzw. auf die obere Ebene hinauf. Die Paletten werden als Ganzes oder als einzelne Packstücke auf die wartenden elektrischen Kleintransporter oder Lastenräder umgeladen und auf ihre „letzte Meile“ zu den Adressaten in der Stadt geschickt.

City-Hub am wieder hergestellten Nord ügel des Bonatzbaus, Grafik: Theo Sauerborn

City-Hub am wieder hergestellten Nordflügel des Bonatzbaus,
Grafik: Theo Sauerborn

 
Zwischen-Hubs

Zwischenhubs können an geeigneten Stellen entlang der Tunnelstrecken errichtet werden. Dadurch werden Abzweigungen zu größeren Endadressaten, wie Industriebetrieben oder Warenhäusern geschaffen. Aus einem Liniensystem kann die U-Güterlogistik sich zu einem Netz entwickeln. 

Zwischenhub, Grafik: Theo Sauerborn

Zwischenhub, Grafik: Theo Sauerborn

 
Ausblick: Weitere kreative Nutzungsmöglichkeiten der S21-Tunnelröhren

Welches der unterirdischen Güterlogistik-Systeme auch immer zum Einsatz käme, alle würden den verfügbaren Raum der S21-Tunnel nur teilweise in Anspruch nehmen. Für das System Smart-City-Loop etwa wird eine Röhre mit einem Durchmesser von nur 4 m bei Zwei-Richtungs-Betrieb benötigt.

Zur Verfügung stehen bei S21 aber vier Strecken mit jeweils zwei Tunnelröhren und einem Durchmesser von mehr als 8 m.

Röhrenmaß beim System Smart City Loop (in cm)

Röhrenmaß beim System Smart City Loop (in cm)

 

Hieraus ergeben sich viele kreative Nutzungsmöglichkeiten, deren Plausibilität und Machbarkeit weiteren Diskussionen vorbehalten bleiben müssen. Hier nur einige Stichworte:

 

 


 

1 Die unter www.biss21.de verfügbare interaktive Karte stellt eine Vielzahl von Details für die im Rohbau bereits fertiggestellten Tunnelröhren und ihre Beziehung zu großen Gewerbegebieten in übersichtlicher Form bereit.

2 Mit der Maßeinheit CO2 wird der Effekt verschiedener unterschiedlich stark belastender Treibhausgase auf das Klima ausgedrückt.